Projektentwickler schleppen sich momentan durch eine Durststrecke. Aber längst nicht alle lassen ihre Development-Aktivitäten ruhen. Von Roswitha Loibl
Begonnene Projekte fertigstellen, aber keine neuen Bauarbeiten beginnen – diese Devise gilt für viele Wohnungsunternehmen. Aber es gibt allerorten Bauträger, die weiterhin aktiv sind. „Momentan erleben wir auf dem Wohnungsmarkt einen drastischen Einbruch der Bauaktivitäten. Wir sind dennoch davon überzeugt, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist, Wohnprojekte mit Eigenkapital auf stabiler Basis umzusetzen – sogar ohne bereits feststehenden Käufer“, sagte Michael Peter, bis Ende März 2023 CEO der P&P Group, schon vor etlichen Wochen.
Das entscheidende Stichwort lautet: Eigenkapital. Wer genug davon hat, kann auch weiterhin die Bagger losschicken. „Denn wer jetzt baut, wird in wenigen Jahren ein gefragtes Produkt haben und einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum leisten“, erläutert Peter. Sein Unternehmen hat im November 2022 mit dem Bau von 57 Wohnungen in Nürnberg-Schweinau begonnen, die im zweiten Quartal 2024 fertiggestellt sein sollen.
"Genau zum richtigen Zeitpunkt"
Die Bedeutung der Finanzkraft sieht Oliver Schweizer, Partner bei EY Real Estate, ebenso: „Eigenkapitalstarke Entwickler sind deutlich im Vorteil.“ Genauso wie diejenigen, die schon vor längerer Zeit Grundstücke zu günstigeren Marktkonditionen eingekauft haben.
Ein Grundstück in Kölner Filetlage besitzt Hansainvest Real Assets schon seit Jahrzehnten: direkt am Heumarkt. Dort soll noch in diesem Jahr das Bestandsgebäude zurückgebaut werden, der Beginn des Hochbaus ist dann allerdings erst für 2025 anberaumt. Das neue Büro- und Geschäftshaus soll 6.000 Quadratmeter Mietfläche bekommen. „Wir sind überzeugt, dass wir mit unserem Timing genau zum richtigen Zeitpunkt dem Markt attraktive und nachgefragte Flächen zuführen können“, teilt Hansainvest mit.
"Wir fahren eine Expansionsstrategie"
Antizyklisch agiert auch der Projektentwickler Ehret+Klein (E+K). „Wir starten noch in diesem Jahr 15 Neubau- und Sanierungsprojekte“, sagt Geschäftsführer Dr. Christian Häusler. Die Baumaschinen rücken nicht nur im Münchener Bahnhofsviertel an, sondern unter anderem auch in Landsberg am Lech, Worms, Karlsruhe und Landau in der Pfalz. Wie gelingt das? „Wir haben uns rechtzeitig ein Fundament erarbeitet und haben institutionelle Partner auf Gesellschafter-Ebene“, erläutert Michael Baureis, geschäftsführender Gesellschafter von E+K. Auch Fördermittel erleichtern die Arbeit.
„Wir fahren eine Expansionsstrategie“, unterstreicht Häusler. Das bedeutet, dass zu den momentan knapp 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis zum Jahresende noch acht bis zehn Prozent hinzukommen sollen. Zudem wird gerade eine Redevelopment-Tochter mit neuem Personal aufgebaut. Spüren sie den Fachkräftemangel? Im Gegenteil, so Häusler: „Wir verzeichnen in den letzten Monaten eine ganz gute Nachfrage potenzieller Bewerber.“
Wohnbauträger auf Mitarbeitersuche
Auf Mitarbeitersuche ist auch der Wohnungsbauträger Wilma Immobilien. Im Jahr 2022 eröffnete das Unternehmen seine Bayern-Niederlassung in München, nachdem es in Freising ein Grundstück für rund 230 Wohneinheiten angekauft hatte. Dann kam Anfang 2023 ein Gelände in Übersee am Chiemsee hinzu. Wie ist die Kandidatenlage für das neue Büro? „Der Markt ist zwar nicht entspannt, aber es gibt deutlich mehr Bewerber als früher“, sagt Michael Nagel, CEO von Wilma. Gesucht werden vor allem technische Projektentwickler.
Diese beiden Projekte sind noch nicht am Markt. „In Freising ist der Bebauungsplan bereits rechtskräftig, wir wollen Anfang oder Mitte 2024 in den Vertrieb gehen“, erläutert Nagel den Fahrplan. Am Chiemsee wird es planmäßig etwas länger dauern. Das 25.000 Quadratmeter große Gelände hat Wilma zu 75 Prozent erworben, 25 Prozent kaufte die Gemeinde. „Wir haben das B-Plan-Verfahren noch vor uns, der Baubeginn wird nicht vor 2025 sein“, sagt Nagel. Könnte es vorteilhaft für die Genehmigungsprozesse sein, wenn die Gemeinde mit an Bord ist? Nagel antwortet mit einem klaren Ja und erläutert: „Die Gemeinde hat ein starkes Interesse daran, schnell Wohnraum zu realisieren und dass es entsprechend eine stringente Zeitschiene gibt.“
Bei anderen Wohnprojekten hat Wilma aber durchaus den Vertrieb gestartet. Es sind vor allem Einfamilien- und Reihenhäuser, bei denen der Markt etwas weniger zäh ist als bei Geschosswohnungen. Was sind Nagels Arbeitshypothesen für das Jahr 2023? „Institutionelle Produkte werden nicht leicht zu platzieren sein.“ Bei Selbstnutzern sieht er, dass oft genug Eigenkapital vorhanden wäre, aber noch zu viel Verunsicherung herrscht. Sein Unternehmen nutzt die aktuelle Zeit, um sämtliche Produkte zu hinterfragen unter den Aspekten Nachhaltigkeit, KFW-Fähigkeit und Bezahlbarkeit.
Redevelopment gewinnt an Bedeutung
Diese Selbstfindungsphase machen gerade viele Projektentwickler durch. Ein Resultat ist dann beispielsweise, dass das Thema Redevelopment einen höheren Stellenwert erhält. Die aktuellen Probleme von Trader-Developern – vor allem die Zins- und Kostensituation – werden allerdings nicht dadurch gelöst, dass sie sich vom Neubau auf das Redevelopment verlegen, meint Oliver Schweizer von EY Real Estate und ergänzt: „Was dagegen zu beobachten ist: dass manche Trader-Developer ihre freien Kapazitäten auch als Service-Developer anbieten.“
Für E+K ist Redevelopment kein neues Thema, aber es bekommt einen neuen Stellenwert. „Wir werden künftig unser Know-How als Dienstleistung für Dritte anbieten“, sagt Michael Baureis. Dafür wurde im Mai die Tochtergesellschaft E+K Upcycle gegründet. Baureis widerspricht der Auffassung, dass das Bauen im Bestand die aktuellen Probleme nicht lösen würde. „Die Materialengpässe sind dabei nicht so akut“, denn man arbeite ja mit dem vorhandenen Material. Außerdem sei die Finanzierungssituation deutlich günstiger durch die öffentlichen Fördermittel. „Im Neubau vergibt die KFW zinsgünstige Darlehen. Im Bestand gibt es zusätzlich Tilgungszuschüsse von bis zu 45 Prozent“, erläutert Baureis.
Es sei zwar durchaus mühsam, sich die Förderthematik zu erschließen, räumt Baureis ein. Die Geschäftsbanken hätten wenig Interesse daran, denn der Einsatz von Förderdarlehen reduziere ihre Marge. Daher arbeitet sich E+K bereits seit drei Jahren selbst in die Materie ein und hat einen Großteil der eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen damit vertraut gemacht.
Um die Herstellungskosten zu reduzieren, setzen Entwickler auf eine höhere Effizienz beim Planen und Bauen zum Beispiel durch serielle und modulare Methoden, so Oliver Schweizer. Aber das alles helfe nichts, wenn Entwickler und Investoren bei ihren Preisvorstellungen nicht zusammenkommen.
Oder wenn die Finanzierer den Geldhahn zudrehen, denn ein einmal gekauftes Grundstück kann nur über begrenzte Zeit liegengelassen werden. „Wir bekommen jetzt immer wieder Grundstücke in Lagen angeboten, die früher nicht verfügbar waren“, berichtet Michael Baureis. Auch die Preise seien mittlerweile günstiger als vor anderthalb Jahren. Bei Wohnungen ist die Situation für Entwickler besonders schwierig. Einen geringeren Margendruck und damit bessere Betätigungsmöglichkeiten sieht Schweizer dagegen in den Nutzungsarten Logistik, Light Industrial oder auch Life Science. Hier seien noch Aktivitäten möglich.
Kauf von Projektentwicklern mitsamt Pipeline
Wie könnte sich die Entwicklerlandschaft verändern? Oliver Schweizer hält es für gut möglich, „dass Investoren, zum Beispiel aus dem Private-Equity-Bereich, Projektentwickler mit deren Pipeline erwerben oder sich beteiligen“. Denn Geld für Immobilien sei weiterhin im Markt vorhanden.
Aber vielleicht löst sich der Knoten auch in absehbarer Zeit. „Akteure hoffen darauf, dass sich die Inflation wieder beruhigt und die Zinsen wieder sinken“, meint Oliver Schweizer. Immobilienleute seien Berufsoptimisten. Gestützt wird seine Annahme mit den Ergebnissen der „Real Estate Trends April 2023“ von EY: Zwei Drittel der Befragten äußerten die Erwartung, dass sich Käufer und Verkäufer noch im Jahr 2023 auf eine gemeinsame Preisbasis verständigen werden. Schweizer meint daher: Erst im dritten oder vierten Quartal dieses Jahres werde sich zeigen, ob es zu einer großflächigen Transformation komme.
Jede Krise bringt aber auch neue Geschäftsmodelle hervor. Mit den Sorgen und Nöten von Bauträgern kennt sich Bernd Ruck aus. Er gründete vor knapp 30 Jahren den Projektentwickler und Co-Investor Sax und hat schon mehrfach Projekte, die am Rande des Scheiterns standen, wieder nach oben gebracht. Eines davon war ein Joint Venture mit Terragon, dem mittlerweile insolventen Entwickler von Seniorenimmobilien. Das 90-Millionen-Euro-Projekt Riviera in Berlin, ein Vier-Sterne-Haus für betreutes Wohnen, musste 2022 aus dem Feuer geholt werden. In diesem Februar hat es Sax nun fertiggestellt und dem Mieter übergeben.
Mezzanine-Finanzierer in Nöten
„Wir wollen unsere Restrukturierungserfahrung nun auch Dritten anbieten“, sagt Ruck, der einen „enormen Bedarf“ entstehen sieht. Bauträger sprechen ihn bereits an, aber vor allem Mezzanine-Kapitalgeber wie Versorgungskassen. Da Versorgungskassen selbst die Projekte nicht einfach übernehmen könnten, benötigten sie Hilfe. „Mit dem geeigneten Konzept kann in vielen Fällen ein großer Teil des investierten Kapitals gerettet werden.“ Banken haben aktuell noch keinen Bedarf, „aber aufgrund von den bereits geführten Gesprächen zeichnet sich ab, dass auch diese im Laufe des Jahres auf uns zukommen werden“.
Bei angeschlagenen Projekten geht es zunächst darum, den aktuellen Stand zu analysieren. „Die Aktenlage ist in der Regel herausfordernd“, sagt Ruck. Nach der Analyse gibt er eine Empfehlung ab, was zu machen ist. „Dann können sie für die Umsetzung uns oder jemand anderen beauftragen.“ Die Sax-Gruppe kann das Konzept dann realisieren, „aber wir sind auch in der Lage, investiv einzusteigen.“ Das Geld kommt von Familien, mit denen Sax schon lange zusammenarbeitet.
Um ein Projekt in Schieflage fertigstellen zu können, ist die Kooperation mit vielen Beteiligten nötig. Im Fall des Terragon-Projekts waren das nicht nur der Insolvenzverwalter, die finanzierenden Banken und der Käufer, sondern auch der Betreiber und die Handwerker. „Wenn sie nur einen Beteiligten nicht mitnehmen, dann geht alles den Bach runter und in die Verwertung“, sagt Ruck und fügt an: „Unsere Kernaufgabe ist, all diese Verhandlungen zu führen, einen Konsens für ein belastbares Restrukturierungskonzept zu erzielen und dieses dann umzusetzen.“ Da die Sax-Gruppe selbst nur 15 Mitarbeiter hat, bindet sie für die erforderlichen Planungs- und Bauleistungen ihr bundesweites Netzwerk aus bewährten Dienstleistern ein.
Wenn der Immobilienmarkt wieder anspringt – damit rechnet Ruck in zwei bis drei Jahren – möchte er wieder zurück in das angestammte Projektentwicklergeschäft. Dann könnte sich sein Interims-Geschäftsmodell auszahlen: „Wenn wir jetzt den Versorgungskassen helfen, dann werden sie uns nicht vergessen.“ Was bedeutet: Der Kreis der potenziellen Kapitalgeber für seine Projekte dürfte sich vergrößern.