Ein Schwarz-Weiß-Porträt eines Mannes mit Brille und Bart in einem Anzug.
Gudio Sinn im Gespräch mit der Mo|u|Se-Redaktion (Quelle: Guido Sinn)

Serielles Sanieren 2025-06-17T14:35:57.320Z „Von H nach A“ – Serielle Sanierung in der Wohnungswirtschaft

Ein Interview mit Guido Sinn, Architekt und Vorstandsmitglied der bwb

Die Mo|u|Se-Redaktion hat mit Guido Sinn, Architekt und Vorstandsmitglied der Beamten-Wohnungs-Baugenossenschaft eG (bwb), über die Möglichkeiten und Herausforderungen serieller Sanierung gesprochen. Im Mittelpunkt steht das Ziel, den Gebäudebestand der Genossenschaft bis 2045 zukunftsfähig zu machen – sozial, klimaneutral und wirtschaftlich tragbar.

Wie definieren Sie serielle Sanierung im Kontext Ihrer Wohnungsgenossenschaft?

Unser Ziel ist es, unseren Gebäudebestand bis 2045 sozial, klimaneutral und generationengerecht zu transformieren. Die Lönssiedlung macht etwa zehn Prozent unseres Gesamtbestands aus und stellt gleichzeitig unser energetisch schwächstes Quartier dar. Deshalb beginnen wir dort, wo der Handlungsbedarf am größten ist, um möglichst schnell eine signifikante Reduzierung unseres CO₂-Fußabdrucks zu erzielen. Serielle Sanierung verstehen wir dabei nicht nur als Einsatz vorgefertigter Fassadenelemente, sondern im Sinne des niederländischen „Energiesprong“-Modells, das eine ganzheitliche Sanierung einschließlich Haustechnik und erneuerbarer Energien verfolgt – von Energieklasse H zu A in kürzester Zeit.

Ein ruhiges Wohngebiet mit mehreren Einfamilienhäusern und geparkten Autos auf einem Parkplatz.
Die Lönssiedlung vor der Seriellen Sanierung (Quelle: Renowate GmbH)
Ein modernes Haus mit einem schwarzen Dach und einer gelben Tür, umgeben von einem üppigen Garten.
Beispiel eines Wohnhauses nach der Sanierung (Quelle: Renowate GmbH)

Welche Vorteile sehen Sie in seriellen Sanierungsmethoden gegenüber konventionellen Ansätzen?

Durch die Erstellung eines digitalen Zwillings für jedes Gebäude und den Fokus auf eine sorgfältige Planungs- und Vorfertigungsphase verkürzen wir die Bauzeit erheblich und reduzieren gleichzeitig die Belastung für unsere Mieter. Die Zusammenarbeit mit zwei Generalübernehmern (GÜ) verringert unseren internen Koordinationsaufwand und minimiert Schnittstellenprobleme mit Fachplanern. Außerdem können wir wetterunabhängig ganzjährig arbeiten. Angesichts des Fachkräftemangels in vielen Gewerken – etwa bei Dachdeckern, HLS und ELT – ersparen wir uns zudem langwierige und oft erfolglose Ausschreibungen.

Welche Herausforderungen treten bei der Umsetzung am häufigsten auf?

Nicht jedes Gebäude ist aufgrund seiner architektonischen Struktur – etwa durch Vor- und Rücksprünge, Balkone, Laubengänge oder Loggien – für eine serielle Sanierung geeignet. Diese Elemente erschweren das Erreichen des angestrebten Vorfertigungsgrads von mindestens 80 Prozent. Hinzu kommen bekannte Probleme wie eine unvollständige Aktenlage oder fehlende Statiken, insbesondere bei älteren Gebäuden, was die Planung erschwert – wie bei konventionellen Sanierungen auch.

Wie gelingt es, die individuellen Bedürfnisse der Mieter zu berücksichtigen?

Wir setzen auf eine transparente Kommunikation: Über digitale Tools unserer Anbieter informieren wir regelmäßig über Fortschritte und Termine. Vor Projektbeginn fanden drei Informationsveranstaltungen statt, zusätzlich bieten wir wöchentliche Sprechstunden an. Drei hausinterne Ansprechpartner sowie ein Hausmeister vor Ort stehen den Bewohnern bei Fragen zur Seite. Individuelle Sonderwünsche während der Bauphase können wir aufgrund der Komplexität nicht berücksichtigen – dennoch sind wir überzeugt, dass der gesteigerte Wohnkomfort und die deutlich gesenkten Nebenkosten einen echten Mehrwert für alle Mieter darstellen.

Welche Rolle spielen energetische Anforderungen und Klimaschutzziele bei der Planung?

Für die Finanzierung der Maßnahmen orientieren wir uns an den Vorgaben der relevanten Förderprogramme. Da wir die Gebäude und deren technische Infrastruktur bis 2045 nicht erneut grundlegend anfassen möchten, treffen wir heute alle notwendigen Vorkehrungen, um einen fossilfreien, monoenergetischen Betrieb zu ermöglichen.

Wie bewerten Sie die aktuellen Fördermöglichkeiten und regulatorischen Rahmenbedingungen?

Dank der derzeitigen Förderkulisse und zusätzlicher Bonusprogramme gelingt es uns, unseren Altbestand zu dekarbonisieren und langfristig für kommende Generationen zu sichern. Für die Zukunft wünsche ich mir eine größere Flexibilität bei der Kombination von Boni – etwa beim Erreichen eines KfW-Effizienzstandards 70–100 – vorausgesetzt, auf fossile Energieträger wird verzichtet und die Nebenkosten bleiben bezahlbar.

Ein Baukran hebt ein Modul an einer Baustelle in der Modulbauweise an einem sonnigen Tag.
Fliegende Fassade während des Sanierungsprozesses (Quelle: St.Gobain pre.formance)

Gibt es technische oder bauliche Grenzen für den Einsatz serieller Sanierung in Ihrem Bestand?

Ja, bestimmte Gebäude sind aufgrund ihrer Kubatur nur bedingt für serielle Sanierung geeignet. Das bedeutet aber nicht, dass es in Einzelfällen keine Lösungen geben könnte. Unser Quartier zeigt exemplarisch, dass auch vermeintlich ungeeignete Strukturen durchaus seriell saniert werden können – mit kreativen Ansätzen und etwas Mut.

Wie gelingt es, die Maßnahmen sozialverträglich und bezahlbar zu gestalten?

Die attraktiven Förderkonditionen und Tilgungszuschüsse – insbesondere bei der Nutzung zusätzlicher Boni – machen die Maßnahmen wirtschaftlich realisierbar. Einige Arbeiten werten wir als Instandhaltungsmaßnahmen, sodass nicht alle Kosten auf die Mieten umgelegt werden müssen. Angesichts der aktuellen Gaskosten wird es für manche Mieter eher zu einer Entlastung als zu einer Mehrbelastung kommen. Spätestens ab 2027 – bei neuen Gasverträgen – wird Heizen in schlecht gedämmten Beständen kaum noch bezahlbar sein. Zudem schaffen wir durch Dachausbauten 41 zusätzliche Wohnungen, was ebenfalls zur Kostenstabilisierung beiträgt.

Was wünschen Sie sich von Politik und Verwaltung zur Unterstützung serieller Sanierungen?

Wir hätten die Dächer lieber vollständig zurückgebaut, um sie später effizienter neu aufbauen zu können. Doch der hohe bürokratische Aufwand hat uns dazu veranlasst, lediglich den bestehenden Raum auszubauen. Uns fehlt hier ein gesunder Pragmatismus – zum Beispiel beim genehmigungsfreien Dachausbau, beim Umgang mit Beteiligungspflichten oder bei Stellplatznachweisen. Darüber hinaus brauchen wir eine langfristige, transparente Förderpolitik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, um Planungssicherheit zu schaffen. Es braucht eine „Entlaubung“ des Förderdschungels – klare Strukturen und verlässliche Perspektiven.

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zuletzt editiert am 07. Oktober 2025