Die schiere Zahl der sanierungsbedürftigen Gebäude in Deutschland verlangt nach alternativen Lösungen. Vorgefertigte Elemente sorgen dafür, dass serielle Sanierung deutlich schneller umgesetzt werden kann. Von Bianca Diehl
„Die Wärmewende in Bestandsgebäuden wird ohne die serielle Sanierung schwer funktionieren. Aktuell sehen wir eine Dynamik und Aufbruchsstimmung, die Mut macht. Allerdings ist das Innovationspotenzial serieller Sanierungslösungen längst noch nicht ausgeschöpft“, ist sich Christian Stolte, Bereichsleiter Klimaneutrale Gebäude der Deutschen Energie-Agentur (Dena), sicher. Diese Dynamik muss sich schnell in konkrete Umsetzung verwandeln, denn die Aufgabe, vor der Immobilieneigentümer stehen, ist riesig: 75 Prozent der Gebäude in Deutschland sind sanierungsbedürftig, allein 3,4 Millionen Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern sind akut von EU-Regulierungen, den Mindeststandards für Energieeffizienz (MEPS), betroffen.
Allein in Deutschland müssen in den nächsten zehn Jahren rund die Hälfte der 21 Millionen Gebäude energetisch modernisiert werden. Derzeit wird der Renovierungsmarkt in Europa auf ein jährliches Volumen von 770 Milliarden Euro geschätzt – 151 Milliarden Euro davon in Deutschland. Um diese Mammut-Aufgabe überhaupt bewältigen zu können, ist serielle Sanierung ein wichtiger Baustein.
Renovierung immer wichtiger
Denn angesichts der steigenden Nachfrage nach Wohnraum und energetischen Sanierungen, um den Gebäudebestand in die CO2-Neutralität zu überführen, muss die gesamte Bauindustrie ihre Produktivität massiv steigern. Aber die konventionelle Bauweise stößt aufgrund mangelnder Digitalisierung und Fachkräftemangel an ihre Grenzen. Dies geht aus der Studie „Modulbau – Das Bauen von Morgen“ von S&B Strategy hervor. Dabei wird das Segment Renovierung für den Hochbau immer wichtiger. Es macht derzeit rund zwei Drittel des Hochbaumarktes aus. Und nach Schätzungen von EY-Parthenon in der „Hochbauprognose 2023“ beschleunigt sich das Renovierungsvolumen in den kommenden Jahren merklich – und zwar gleichermaßen im Wohnungs- wie im Nicht-Wohnungsbau: nach aktuellen Erwartungen im Schnitt um 0,9 Prozent pro Jahr bis 2025.
„Die serielle Sanierung kann für die Wärmewende eine Schlüsseltechnologie werden. Sie zeichnet sich durch Digitalisierung und serielle Vorfertigung aus. Damit können wir das Sanierungstempo erheblich beschleunigen. Deswegen fördert die Bundesregierung die serielle Sanierung und unterstützt den Markthochlauf mit Hilfe des Dena Energiesprong-Teams“, beschreibt Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Inzwischen planen und realisieren zahlreiche Gesamtlösungsanbieter, Zulieferer, Architektur- und Planungsbüros sowie Wohnungsunternehmen Sanierungen nach diesem Prinzip. Große Player wie Saint-Gobain, Knauf, Sto, Vaillant, Vonovia und LEG sind in die serielle Sanierung eingestiegen. Auch die B&O Gruppe hat wenige Monate, nachdem die ersten vorgefertigten Fassaden am neu eröffneten Produktionsstandort vom Band gelaufen waren, die neue Gesellschaft B&O Seriell GmbH mit Sitz in Köln an den Start gebracht.
Bereits seit 2020 erprobt die LEG mit mehreren Baupartnern, darunter auch das eigene Tochterunternehmen Renowate, serielle Alternative zur klassischen energetischen Ertüchtigung von Bestandsgebäuden in einem Reallabor in Mönchengladbach. Die Projekte orientieren sich am sogenannten Energiesprong-Prinzip.
Hoch hinaus in Serie
Im Sommer 2022 stellte zum Beispiel Vonovia ihr erstes serielles Sanierungsprojekt in Bochum fertig. Beim zweites Projekt wagte sich das Unternehmen an bis zu achtgeschossige Mehrfamilienhäuser in Witten. Eine ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe, denn je höher ein Gebäude ist, desto mehr Wohnfläche muss über die Photovoltaikanlage auf dem Dach mit Energie versorgt werden. Ab dem fünften Geschoss wird das Verhältnis von Dach- zu Wohnfläche immer ungünstiger und die Bereitstellung von Strom und Wärme aus eigener Stromerzeugung damit schwieriger. Drei Bauabschnitte mit 112 Wohneinheiten und einer Gesamtfläche von 8.284 Quadratmetern wurden bei dem Projekt mit 6.300 Quadratmetern vorgefertigten Fassadenelementen versehen. Durch die Sanierung verbesserte sich die Energieeffizienzklasse der Gebäude von E auf A +.
Die Greizer Wohnungsgenossenschaft Textil nahm mit Unterstützung des Thüringer Energieministeriums, der Deutschen Energieagentur Dena und dem Berliner Start-up Ecoworks ein typisches DDR-Wohngebäude aus dem Jahr 1969 für eine serielle Sanierung ins Visier. Die beschleunigte Sanierung mit vorgefertigten Bauteilen war eine Premiere in Ostdeutschland. Das Energieministerium fördert das Leuchtturmprojekt im Rahmen seiner Wärmeoffensive mit 2,3 Millionen Euro bei einer Gesamtinvestition von 3,5 Millionen Euro. „Wir können bei den Gebäuden einen riesigen Rückstand aufholen – und dadurch sowohl den CO2-Ausstoß als auch die Ausgaben für Energie senken“, sagte der Thüringer Energieminister Bernhard Stengele.
Der Markt-Neuling Ecoworks gehört schon zu den großen Playern im Segment serielle Sanierung. Kein Wunder, dass sich der Investment- und Asset-Manager Alp.x Group aus München als Teil eines internationalen Investorenkonsortium am Proptech Ecoworks beteiligt hat. Die Gesamthöhe der Finanzierungsrunde betrug 22 Millionen Euro. Sebastian A. Lüdke, CEO von Alp.x, ist sich sicher, auf das richtige Pferd zu setzen: „Die klimaneutrale Sanierung des teilweise sehr ineffizienten Häuserbestands ist eine der größten Stellschrauben, um die CO2-Emissionen im Immobiliensektor zu senken. Nur allein mit individuellen Manufaktur-Lösungen für jedes einzelne Gebäude ist das nicht zu erreichen – es würde viel zu lange dauern und wäre zu teuer. Daher braucht es möglichst effiziente und schnell umsetzbare serielle Lösungen. Ecoworks ist hervorragend positioniert, um hier in den kommenden Jahren vom Marktwachstum an Umbau- und Sanierungsmaßnahmen zu profitieren.“